BRAIN hofft auf dreistelligen Millionendeal
Die hessische Brain Biotech AG machte am späten Freitag kräftig Furore in den Hinterzimmern des Börsenhandels. Die Bekanntgabe eines Deals über insgesamt 128 Mio. Euro mit der auf den Erwerb von möglichen Umsatzerlösen spezalisierten Royalty Pharma sorgt für einen Kurssprung. Zunächst werden jedoch nur kleinere Anteile der Gesamtsumme fällig, der große Rest ist noch mit einigen Fragezeichen versehen.
Der Wirkstoff Deucrictibant stammt von der Berliner AnalytiCon Discovery, die in die sogenannte BioIncubator-Pipeline der Brain Biotech AG integriert wurde. Er befindet sich derzeit bei Pharvaris Netherlands NV (Nasdaq PHVS) in der klinischen Entwicklung zur Behandlung des seltenen hereditären Angioödems. Der Start einer zulassungsrelevanten Phase III-Studie ist noch in diesem Jahr geplant.
Das Asset geht für eine Upfront-Zahlung von rund 18 Mio. Euro an Royalty Pharma. Weitere 18,4 Mio. Euro werden als nächste Meilensteinzahlung fällig, wenn „bestimmte regulatorische Hürden“ genommen sind, also vermutlich der offizielle Start der Phase III-Studie. Da der Wirkstoff mit „allen Rechten und Pflichten“ an Royalty Pharma verkauft wurde, fallen für Brain keine weiteren Kosten für die klinische Entwicklung an. Das größte Fragezeichen steht allerdings noch hinter der größten möglichen Zahlung aus dem Deal: Bis zu 92 Mio. Euro stehen zunächst nur im Raum, die fällig werden, wenn die Zulassung erfolgt und bestimmte Umsatzziele erreicht werden. Das ist also noch in weiter Ferne und keineswegs sicher.
Dennoch hat die Meldung dem Aktienkurs der Brain Biotech AG ausnahmsweise einmal gut getan. Umso rätselhafter ist, warum eine solche Meldung ausgerechnet vor einem Wochenende nach Börsenschluss kommuniziert wurde und man nicht etwas mehr von dem zu erwartenden Schwung für den Aktienhandel mitnehmen wollte. Aber auch die Pressemitteilungen des Unternehmens waren stark auf den derzeit eher kränkelnden Aktienkurs und die magere Marktkapitalisierung des Unternehmens abgestimmt. Michael Schneiders, Finanzvorstand der Brain Biotech AG, ordnet die Transaktion wie folgt ein: „Die Monetarisierung von Lizenzgebühren ist für uns eine sehr interessante und innovative Form der alternativen, nicht verwässernden Finanzierung in einem Umfeld, in dem die Brain-Biotech-Aktie extrem niedrig bewertet ist. Wir konnten nicht nur durch die Upfront-Zahlung einen signifikanten Soforterlös erzielen, sondern partizipieren auch am weiteren klinischen Erfolg des Produkts durch kurzfristige regulatorische Meilensteine und weitere langfristige Zahlungen im Zusammenhang mit dem potentiellen Vermarktungserfolg von Deucrictibant. Der Wert dieser einzelnen Transaktion ist mehr als viermal so hoch wie die gesamte Marktkapitalisierung von Brain Biotech vor Bekanntgabe der Transaktion.“
In den außerbörslichen Orderbüchern hat sich der Kurs mehr als verdoppelt, ebenso die Marktkapitalisierung, so dass einige Börsenbeobachter das Verhältnis zwischen Deal und „gefühlter Realität“ des Kurswertes schon wieder etwas nach unten korrigieren wollen. Den Hessen mag das egal sein, denn der aktuelle Erfolg soll keine Eintagsfliege bleiben, sondern dazu beitragen, die anderen Geschäftsfelder des Unternehmens zukunftsfähig zu machen. Das sieht auch Adriaan Moelker, CEO der Brain Biotech AG, so: „Dies ist wirklich ein Meilenstein in der Geschichte von Brain Biotech. Wir haben immer an den signifikanten Wert unserer BioIncubator-Projekte geglaubt und beginnen nun, die starken Pipeline-Investitionen der Vergangenheit zunehmend zu monetarisieren. Die Transaktion mit dem Marktführer Royalty Pharma hat nicht nur unsere eigenen Wertannahmen für Deucrictibant bestätigt, sondern es uns auch ermöglicht, die erwarteten Barerlöse aus diesem spannenden Projekt deutlich vorzuziehen. Mit den nun zur Verfügung stehenden Mitteln werden wir die laufende Transformation von Brain Biotech zu einem globalen Top-Ten-Player im hochattraktiven Markt für industrielle Enzyme beschleunigen.“
Ob genau diese Strategie von der Börse honoriert wird, bleibt abzuwarten. Denn die industriellen Enzyme werden von manchen eher als „Brot-und-Butter-Geschäft“ angesehen, während die größeren Erfolge mit einer Wirkstoffpipeline wie im aktuellen Fall zu erzielen wären. So regt es wohl eher die Phantasie an, dass Brain Biotech „beabsichtigt, in den nächsten Jahren weitere werthaltige Projekte aus der BioIncubator-Pipeline zu kommerzialisieren und zu vermarkten“. Würde dann noch die lange schon angekündigte Ausgründung der mit einer eigenen CRISPR-Pipeline ausgestatteten Geschäftseinheit Akribion Genomics stattfinden, hätte Brain bald schon wieder phantasieanregende Neuigkeiten zu vermelden.